Nachbarn

 

Dirk Görner, 25.04.1998 - 31.10.1999

geschrieben unter dem grandiosen Eindruck von Oliver Stones „U-Turn“

nachbearbeitet aufgrund diverser Hinweise eines gewissen S.D.

 

Diese Geschichte muss gut vorgetragen werden!

 

Verdammt komm schon, werde deutlicher! Los doch.. bist doch nur ein Stück Papier... Das kann nicht so lange dauern... Komm schon... los... und wehe dir, wenn ER darauf zu sehen ist! Ich will IHN nicht sehen! Ich will auf dir, du kleines nichtsahnendes Stück Photopapier, nur den Hauseingang sehen. Nur den Eingang... komm schon, schneller... den Hauseingang, in dem ich IHN fotografiert habe, erwischt, heimlich... jaaa, komm zeig es mir...

Jaaa... genau so habe ich mir das  vorgestellt, nur der Hauseingang... und die Briefkästen... die Briefkästen, die eigentlich nicht zu sehen sein dürften... weil ER davor steht und sie verdeckt... deshalb dürften sie nicht zu sehen sein... zumindest nicht bei einem normalen Menschen... ER ist nicht zu sehen... nur der Hauseingang mit den Briefkästen... das ist der Beweis...

Ich hab’s ja gewusst... Die ganze Zeit über habe ich es gewusst! Schon vom ersten Tag an war ER mir suspekt... als ER hier ankam... Mit seinem schmierigen Anzug und den ach so modernen Hartschalenkoffern, voll mit intellektuellem Plunder! Mir war gleich klar, dass mit dem etwas nicht stimmt... Selbst der alte McEwing war verwirrt von SEINEM Anblick, ... ist gleich von der Leiter gefallen, als der Typ reinkam... Schädelfraktur und drei gebrochene Rippen... Da dachte ich noch an einen Zufall... Pah, Zufall...! Nur Ärger hat es seitdem gegeben... Der Kerl hat das Unglück mitgebracht und seitdem klebt es an den Hauswänden wie ein schmieriger Ölfilm!

„Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Lou Digit...“ hat ER gesagt. Mrs. O’Brian hat nur laut gelacht... „Digit? Hör sich das einer an...“ Dann ist sie schnell in ihre Wohnung gerannt... die Milch war übergekocht... Ist ihr noch nie passiert, hat sie gesagt... von diesem Tag an aber öfters... Zwei Wochen später lag sie erstickt in ihrem Bett... geplatzte Gasleitung, hieß es... Wer’s glaubt...

Jefferson aus dem dritten Stock war der nächste... Kam vom Einkaufen, stellte seine Taschen ab und sprang aus dem Fenster... Einfach so... Jemand meinte, ER habe sich vorher lauthals mit dem Neuen gestritten... Damit war SEIN Ruf komplett... komplett hinüber zumindest...

John Milton, fünfte Etage, drei Wochen später... Schnitt sich beim Rasieren... Halsschlagader... Zack, durch... Die Schlagader...! Beim Rasieren...! Und vorgestern, Sarah McKennigan,... Parkte auf Digit’s reserviertem Stellplatz... als sie wieder einsteigen wollte, explodierte der Wagen... Zufall...?! Pah, von wegen... Alles munkelt über IHN... Schauergeschichten überall... Der Ziegenfüßige geht um, heißt es... Irgendwas ist dran, ich hab schließlich den Beweis,... oder zumindest ein Indiz...

Vielleicht sollte ich einfach rübergehen und IHN fragen.... Aber wie? „Entschuldigen Sie, Mr. Digit, was ich schon immer mal wissen wollte, sind sie zufällig...?“ Quatsch...

Hab IHN heute noch nicht zu Gesicht bekommen, auch nichts gehört... Ob ER die Wanze entdeckt hat...? Vielleicht... Ach was... Ich geh einfach rüber und lausche ein bisschen an der Tür... Kann ja nicht schaden...

Hmmm, ich höre nichts. Das ist neu... Normalerweise läuft ER den ganzen Tag hin und her... macht seltsame Geräusche... so wie auf meinen Bändern... Alles hab ich aufgenommen, seit Monaten... aber nichts habe ich gefunden, keine Beweise - keine eindeutigen zumindest - dafür jede Menge seltsame Geräusche... Zischen und Schreie... diese halbstummen, gepressten Schreie...

„Entschuldigen Sie, kann ich ihnen helfen. Mr. McNaughton...?“

Verdammt, ER ist es... ER hat mich erwischt... Gott, muss das peinlich aussehen... wie ich hier vor SEINER Tür hocke, mit einem leeren Senfglas am Ohr... Jetzt bloß nichts anmerken lassen... Langsam umdrehen... nur nicht zu hastig... ER soll nicht fühlen, dass ER mich bei etwas schlechtem ertappt hat...

Jaaa... jetzt kann ich IHN sehen... Lou Digit... Diesen alten, grauhaarigen Bastard... in diesem Juppie-Anzug mit der Windsor-Krawatte und den feinen italienischen Halbschuhen... Wie ich IHN hasse... Ich habe Typen von dieser Sorte schon immer gehasst... aber IHN ganz besonders...

Ruhig, Bobby, ruhig... tief Luft holen... Du musst dir jetzt etwas einfallen lassen.. eine Idee, wie du hier wieder heil rauskommst, ohne Narben zu kriegen...

„Oh, ähh..., Mr. Digit, ich weiß, es sieht merkwürdig aus, aber ich...“

„Ja...?!“

„Nun, ich habe Sie seit Tagen nicht gesehen und da dachte ich... ich sehe einfach mal nach dem rechten... und dann bin ich rüber und habe kurz vor Ihrer Tür gelauscht... aber alles war so still.. so seltsam still...“

Oh Gott... SEINE Hand.. was tut ER?!?... SEINE Hand... ER steckt sie... Oh Gott,  ER steckt sie in die Tasche und... Scheiße, was habe ich gemacht? Ich hätte ihn nicht... hätte ich doch bloß nie... ER ... greift in SEINE Tasche... und.. Ich war nicht überzeugend genug... ER hat mir die Story nicht abgenommen, klar, hätte ich wahrscheinlich auch nicht getan... schließlich habe ich mich noch nie großartig um IHN gekümmert.... War nur einmal kurz in SEINER Wohnung, um mir etwas Salz zu borgen und um... na ja... und um die Wanze in der Küche zu befestigen... und jetzt... Scheiße... ER zieht SEINE Hand zurück und hält eine... eine... ZIGARRE?

Puhh, verdammt, das hätte schief gehen können... Warum sieht ER mich so seltsam an... mit diesen furchtbaren Augen... Dieses Blau... dieses widerliche leuchtende Blau... Warum kann ER keine andere Augenfarbe haben... Rot würde viel besser zu IHM passen als blau... Oh Gott... ich werd wahnsinnig... Ich... nein, was ist das? ER... SEINE Zigarre brennt... ER hat kein Streichholz benutzt... nicht mal ein Feuerzeug... Wie hat ER..? Aber... klar... ER braucht ja kein...

„Warum haben Sie nicht einfach geklingelt?“

Das ist natürlich eine gute Frage.. eine sehr gute Frage noch dazu... Warum habe ich nicht geklingelt...? Ja, warum eigentlich nicht...? Vielleicht ist die Klingel kaputt... vielleicht bin ich kaputt... vielleicht war der Strom gerade weg... oder vielleicht hatte ich auch einfach keine Lust zum Klingeln oder ich habe es schlicht vergessen... Ich...

„Klingeln Sie doch jetzt...“

Ich... was? Jetzt spinnt ER aber... Ich soll klingeln...? Warum? Ich weiß doch, dass ER nicht drin ist... Will ER mich verarschen...? Für wen hält der sich... für Gott? Wohl kaum... ausgerechnet der... Klingeln... ER spinnt... Ich sag’s ja...

Was ... was macht ER jetzt...? ER beugt sich zu mir runter... Oh Scheiße... Was wird das jetzt...? Ich... herrje, riecht der übel... Ne Mischung aus altem Hustensaft und Galle... oder umgekehrt... ER... bringt SEINEN Mund an mein Ohr und...

„Klingeln Sie, Mr. McNaughton, klingeln Sie!“

Verdammt... Aber in Ordnung... OK, ER soll den Spaß haben... Ich bin ja schließlich nicht kleinlich... Gut, ich werde klingeln... Ich... ja, ich bewege meinen Finger in Richtung Klingelknopf... Und ER sieht genau zu... ER genießt es förmlich... Von mir aus... Soll ER ruhig... Ich weiß nicht, was ER sich davon verspricht, aber OK... DEN Spaß soll ER haben... Ich werde klingeln, .. gleich... ich bin fast dran.. gleich werde ich...

 

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Das Licht ist schrecklich... grell... Es blendet und schmerzt... dann zerreißt es...

Ich ... sehe... langsam formt sich ein Bild... Ich ... denke... Menschen... Menschen in weißen Kitteln... Alles starrt mich an... Ich .. was ist passiert? Wie bin ich...?

„...hierher gekommen?“

„Es ist alles in Ordnung, Mr. McNaughton, kein Grund zur Beunruhigung... Sie sind hier in besten Händen...!“

„Was ist passiert?“

„Es gab eine Explosion in Ihrem Haus. Sie haben großes Glück gehabt. Ich fürchte aber, Sie werden sich eine neue Bleibe suchen müssen...“

„Waaas? Eine neue Bleibe... und von welcher Explosion sprechen Sie?

„Keine Panik, Mr. McNaughton, wir haben alles für Sie geregelt, fürs erste können Sie bei Ihrem Nachbarn unterkommen, Mr. Digit. ER sagt, ER hat ein schönes Sommerhaus auf dem Lande und würde sich die erste Zeit um Sie kümmern bis Sie... heh... verdammt,... Schwester, sein Herz , bereiten Sie ... Elektroschocks ..., verdammt... Wie konnte... passieren...? Wir..., zum Teufel noch mal....!“

 

 

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Quelle: www.unterhaltungsspiele.com